Agrarpolitik am Scheideweg: Neue Regeln, alte Probleme, offene Fragen
Der Bundesrat hat wegweisende Entscheidungen für die Landwirtschaft getroffen: von Steueranpassungen und neuen GAP-Regeln über Erleichterungen für Ökobetriebe bis hin zu drängenden Fragen bei Agri-PV-Anlagen und der Düngepolitik. Doch reicht das aus, um die Herausforderungen in der Agrarwirtschaft zu bewältigen?
Agrarpolitik: Bundesrat beschließt Änderungen für Landwirte
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. November 2024 umfassende Änderungen in der Agrarpolitik beschlossen. Im Fokus standen die Umsatzsteuerpauschalierung, Anpassungen bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und Erleichterungen für Landwirte.
- Umsatzsteuerpauschalierung: Der Durchschnittssatz sinkt zum Jahresende 2024 auf 8,4 %, bevor er ab Januar 2025 auf 7,8 % weiter reduziert wird. Die Bundesländer kritisierten den bürokratischen Mehraufwand durch die unterjährigen Anpassungen, der aus einem Vertragsverletzungsverfahren mit der EU resultiert.
- Gemeinsame Agrarpolitik (GAP): Kleinbetriebe bis 10 Hektar Fläche werden von GLÖZ-Kontrollen entlastet. Gleichzeitig steigen die Sanktionen bei Verstößen gegen Arbeitsschutzregelungen. Neue Regeln zur Fruchtfolge und dem Umgang mit nichtproduktiven Flächen treten ab 2025 in Kraft.
- Erleichterungen für Ökobetriebe: Betriebe dürfen zur Erosionsminderung die „raue Winterfurche“ nutzen und vor dem Anbau von Sommerkulturen pflügen (GLÖZ 6).
Die Fruchtfolgeregeln (GLÖZ 7) werden gelockert: Zwei Hauptkulturen sind in drei aufeinanderfolgenden Jahren erlaubt, und Zwischenfrüchte müssen nur auf 33 % des Ackerlandes angebaut werden.
Vorgaben zum Mindestanteil nichtproduktiver Flächen (GLÖZ 8) werden weitgehend aufgehoben, ausgenommen für Landschaftselemente.
- Vereinfachungen bei Öko-Regelungen: Zahlreiche Detailanpassungen in den Öko-Regelungen sollen die Attraktivität der Maßnahmen erhöhen und die Umsetzung für Landwirte erleichtern.
- Impfung gegen Blauzungenkrankheit: Die Nutzung von noch nicht EU-zugelassenen Impfstoffen gegen die Blauzungenkrankheit (BTV-3) bleibt weiterhin erlaubt, bis entsprechende Produkte innerhalb der EU zugelassen sind.
Mit diesen Beschlüssen zielt der Bundesrat darauf ab, die Bürokratie für Landwirte zu reduzieren und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in der Agrarwirtschaft zu fördern.
Erneuerbare Energie und Agri-PV – Herausforderungen durch fehlende Einspeisevergütung
Hintergrund
Agri-PV-Anlagen kombinieren landwirtschaftliche Nutzung mit der Stromerzeugung durch Photovoltaik. Die Bundesregierung hat eine Erhöhung der Einspeisevergütung für diese Anlagen um 2,5 Cent/kWh im Solarpaket angekündigt, die jedoch noch nicht umgesetzt ist. Der Grund: Es fehlt die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission.
Problematik
Ausstehende Genehmigung aus Brüssel: Die Bundesregierung wartet auf die Freigabe der höheren Einspeisevergütung durch die EU. Diese Genehmigung ist entscheidend, aber ein Zeitplan liegt nicht vor. Es wird spekuliert, dass die Bundesregierung aufgrund von Haushaltsengpässen zögert, Änderungen aus Brüssel umzusetzen, was jedoch vom Bundeswirtschaftsministerium dementiert wird.
Unsicherheit für Landwirte: Landwirte können aktuell nicht sicher planen. Wird die Anlage vor einer offiziellen Zusage ans Netz genommen, gilt die alte Vergütung. Warten die Landwirte jedoch, riskieren sie den Verlust des Netzanschlusspunktes.
Wirtschaftliche Bedeutung der Einspeisevergütung
Finanzielle Tragfähigkeit kleiner Anlagen: Kleinere Agri-PV-Anlagen benötigen die höhere Vergütung, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Aktuell liegt die Vergütung bei 6,86 Cent/kWh, ab Februar 2025 sinkt sie auf 6,79 Cent/kWh. Diese Beträge sind oft nicht ausreichend, um die Anlagen profitabel zu betreiben.
Langfristige Planungssicherheit: Mit der geplanten Erhöhung würde der Zuschlag von 2,5 Cent/kWh über 20 Jahre garantiert, was die Rentabilität kleiner Projekte sichern könnte.
Ratschläge und Perspektiven
Gawan Heintze, Experte für Agri-PV, rät Landwirten, Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Diese sollen prüfen, ob Anlagen auch ohne die höhere Vergütung langfristig rentabel sein könnten. Wenn zumindest eine „schwarze Null“ erreicht wird, kann die Investition überdacht werden.
Fazit
Die Verzögerung bei der Freigabe der Einspeisevergütung bremst Investitionen in Agri-PV-Anlagen massiv aus. Besonders kleinere Projekte sind betroffen. Ohne schnelle Entscheidungen auf EU- und Bundesebene droht eine Verlangsamung der Energiewende in der Landwirtschaft.
Neue Höfeordnung
Die neue Höfeordnung, die am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, regelt das Sondererbrecht für landwirtschaftliche Höfe in bestimmten Bundesländern (Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen). Sie wurde vom Bundestag mit breiter Zustimmung (SPD, Union, Grüne, FDP, BSW) beschlossen, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisherige Einheitsbewertung für verfassungswidrig erklärt hatte.
Hauptinhalte der Reform:
- Neuer Hofeswert: Der Hofeswert, aus dem sich die Mindestabfindung der weichenden Erben berechnet, beträgt künftig 60 % (0,6-fach) des Grundsteuerwerts A. Zuvor lag dieser bei 150 % (1,5-fach) des Einheitswertes.
- Ziel: Die Hoferben sollen den Betrieb fortführen können, ohne durch hohe Abfindungen belastet zu werden. Gleichzeitig erhalten weichende Erben eine angemessene Beteiligung am Hofwert.
- Mindestabfindung und Anpassungsmöglichkeiten:
- Die Mindestabfindung für weichende Erben wird erhöht.
- Bei besonderen Umständen sind Zu- oder Abschläge bei der Abfindung möglich.
- Hoferben können bei der Bewertung künftig mehr Schulden abziehen.
- Nachabfindungspflicht: Sollte der Hof innerhalb von 20 Jahren nach der Übernahme verkauft werden, haben weichende Erben Anspruch auf Nachabfindungen.
- Notwendigkeit der Reform:
- Die Reform war erforderlich, da die bisherige Einheitsbewertung verfassungswidrig war.
- Der neue Grundsteuerwert schafft laut der CDU/CSU-Fraktion eine faire und zukunftsfähige Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe.
- Regionale Anwendung:
- Die Höfeordnung gilt nur in bestimmten Bundesländern, während in anderen Regionen das allgemeine BGB-Erbrecht Anwendung findet.
Politischer Hintergrund:
Die Einführung der neuen Höfeordnung stand wegen des Bruchs der Ampel-Koalition zeitweise auf der Kippe, konnte jedoch durch einen überparteilichen Konsens rechtzeitig umgesetzt werden.
Die neue Regelung strebt einen Ausgleich zwischen den Interessen der Hoferben und der weichenden Erben an, während sie die wirtschaftliche Fortführung landwirtschaftlicher Betriebe langfristig sichert.
Novelle des Düngegesetzes gescheitert – Stoffstrombilanz bleibt
Die geplante Novelle des Düngegesetzes wird aufgrund der politischen Krise in Berlin vorerst nicht umgesetzt. Die nötige Vermittlung zwischen Bundestag und Bundesrat wird vor den Bundestagswahlen im Februar nicht mehr erfolgen. Somit verfällt das Zweite Gesetz zur Änderung des Düngegesetzes der Diskontinuität, und die Debatte muss in der nächsten Legislaturperiode neu beginnen.
Stoffstrombilanz bleibt vorerst erhalten
Die bereits bestehende Stoffstrombilanzverordnung bleibt weiterhin gültig. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte zwar deren Aufhebung als Teil eines Kompromisses angeboten, doch der Ausgang hängt von den weiteren Verhandlungen ab. Die Stoffstrombilanz wird von den Länderagrarministern der Union und dem Deutschen Bauernverband als bürokratisch und ineffektiv kritisiert. Umweltverbände hingegen fordern ihren Erhalt, um Verursachergerechtigkeit in der Düngepolitik zu gewährleisten.
Differenzierung in Roten Gebieten vorerst blockiert
Ohne die Novelle des Düngegesetzes ist eine weitergehende Differenzierung der Maßnahmen in den sogenannten Roten Gebieten nicht umsetzbar. Dies verhindert Fortschritte beim Verursacherprinzip, das Betriebe stärker belasten soll, die das Grundwasser verschmutzen. Die nötigen Daten für Verhandlungen mit der EU-Kommission können ohne eine gesetzliche Grundlage nicht erhoben werden.
Eine Monitoringverordnung, die die Wirksamkeit der aktuellen Düngeregeln überprüft, bleibt unstrittig und soll die Basis für zukünftige Anpassungen bilden. Die Umsetzung hängt jedoch von der nächsten Bundesregierung ab.