
Neue Maissorten für extreme Bedingungen – Züchtung zwischen Klimastress und Agrarpolitik
Die Maisernte 2025 zeigt, unter welch unterschiedlichen Bedingungen die Kultur in Deutschland gedeiht: Während Schleswig-Holstein (+7,2 %) und Rheinland-Pfalz (+4,2 %) leichte Zuwächse verzeichneten, mussten Länder wie Sachsen-Anhalt (−15,1 %), Hessen (−12,1 %) und das Saarland (−11,2 %) teils massive Ertragseinbußen hinnehmen.
Im Durchschnitt fiel der Silomaisertrag um 3,3 % auf 429,1 dt/ha – ein Wert, der trotz Rückgangs im europäischen Vergleich weiterhin solide ist. Diese Schwankungen verdeutlichen, wie stark sich klimatische Extreme, Niederschlagsverteilung und Standortverhältnisse auf die Ertragsstabilität auswirken.

Züchtung unter Klimastress
Angesichts von Hitze, Trockenheit, Starkregen und neuen Schädlingen steht die Maissortenzüchtung vor enormen Herausforderungen. Weg vom Ideal mit Höchsterträgen, hin zu Sorten mit belastbarer Ertragssicherheit lautet die Devise. Merkmale wie Umweltstabilität, Wasser- und Nährstoffeffizienz rücken zunehmend in den Vordergrund.
Besonders auf Standorten mit eingeschränkter Düngung sind effiziente Sorten entscheidend. Parallel dazu arbeiten Züchter an genetisch widerstandsfähigen Pflanzen, die Pilz- und Schädlingsbefall besser trotzen.
Auch qualitative Eigenschaften – etwa Stärkegehalt, Futterwert und Verdaulichkeit – gewinnen an Bedeutung. Gerade im Silomais müssen Züchter dabei zwischen Verdaulichkeit und Standfestigkeit fein abwägen. Vom ersten Kreuzungsversuch bis zur zugelassenen Sorte vergehen acht bis zehn Jahre. Jede neue Hybride muss sich in Feldversuchen und Wertprüfungen behaupten, bevor sie das Bundessortenamt zulässt.

Biotechnologie als Wegbereiter
Der Zuchtfortschritt der letzten Jahrzehnte ist unbestreitbar: Laut FAO-Daten stiegen die Körnermaiserträge innerhalb von 40 Jahren von etwa 30 auf fast 100 dt/ha. Doch viele Betriebe spüren diesen Fortschritt im Alltag kaum – extreme Wetterlagen und politische Vorgaben nivellieren die Ertragsvorteile häufig.
Neue Ansätze wie die Genschere Crispr/Cas9 könnten helfen, Züchtungsprozesse deutlich zu beschleunigen. Damit lassen sich Eigenschaften wie Trocken- oder Krankheitsresistenz gezielt verbessern. Doch der Einsatz solcher Techniken hängt stark von der politischen und gesellschaftlichen Akzeptanz ab – und hier bewegt sich gerade einiges.

Neue EU-Regeln für NGT-Saatgut
Die EU hat sich auf ein neues Regelwerk für sogenannte „neue genomische Techniken“ (NGT) verständigt. Künftig wird zwischen zwei Kategorien unterschieden:
- NGT1-Pflanzen, die sich von konventionell gezüchteten Sorten nicht unterscheiden lassen und keine Herbizidtoleranzen oder insektiziden Eigenschaften aufweisen,
- und NGT2-Pflanzen, die weiterhin unter die strengeren Gentechnikvorschriften fallen.
Für Landwirte bedeutet dies: NGT1-Saatgut muss zwar als solches gekennzeichnet werden, die daraus erzeugten Lebens- und Futtermittel aber nicht. Ökobetriebe bleiben von der Nutzung ausgeschlossen.
Ein umfassendes Patentverbot für NGT-Sorten wurde nicht beschlossen, doch Züchter müssen künftig offengelegen, welche Patente bei der Entwicklung eine Rolle spielen. Eine EU-Expertengruppe soll zudem prüfen, wie Patentregelungen Innovation und Sortenvielfalt beeinflussen.
Die EU-Kommission erwartet von der Liberalisierung mehr Wettbewerbsfähigkeit, klimafitte Sorten und geringere Importabhängigkeit. Kritiker warnen hingegen vor einer Schwächung des Vorsorgeprinzips und einer weiteren Machtkonzentration bei großen Saatgutkonzernen.

Perspektive
Ob klassische Hybridzüchtung oder präzise Genomeditierung – die Zukunft des Maisanbaus hängt davon ab, wie gut Züchter, Politik und Praxis aufeinander abgestimmt agieren.
Neue Technologien bieten enorme Chancen, doch nur wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt und von rechtlichen Rahmenbedingungen flankiert werden, können sie zur echten Antwort auf Klimastress und agrarpolitische Herausforderungen werden.
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