Gaskrise
Was ist da los im Biogas-Segment? Notfallpläne werden allerorts geschmiedet, aber das Potenzial Biogas blieb oder bleibt auf der Strecke. Gas ist teuer und rar, aber warum brauchen die Entscheidungen im Bundestag so lange. Was sind die Streitpunkte? Wir versuchen Licht in das Wirrwarr zu bringen. Lesen Sie selbst.
Kurzer Steckbrief
Biogas ist ein brennbares Gas, das bei der natürlichen Zersetzung organischer Stoffe unter Luftabschluss entsteht. Das Wort „Bio“ in Biogas bezieht sich nicht auf den Ursprung aus ökologischem Landbau, sondern auf biotisch. Das sind Umweltfaktoren, an denen Lebewesen erkennbar beteiligt sind. Der Vergärungsprozess erfolgt in Biogasanlagen unter Verwendung von Gülle, organischen Abfällen oder Energiepflanzen wie Mais oder Gras. Die Substrate werden in geschlossenen Fermentern vergoren.
Brennbares Methan ist der wichtigste Bestandteil von Biogas. Der Methangehalt variiert je nach verwendetem Substrat zwischen 50 % und 65 %. Darauf folgt Kohlendioxid, gefolgt von weiteren Komponenten wie Stickstoff, Sauerstoff, Wasser und Schwefelwasserstoff.
Biogas wird genutzt, um es in Strom, Gas, Wärme oder Kraftstoff umzuwandeln. Es wird zum Beispiel für die Kraft-Wärme-Kopplung vor Ort verwendet. In Blockheizkraftwerken wird Biogas zur Strom– und Wärmeerzeugung benutzt. Alternativ kann das Gas in einer Biogasleitung transportiert werden, um Wärme und Strom direkt beim Verbraucher zu erzeugen.
Das letzte verbleibende Fermentationsprodukt ist ein hochwertiger Dünger, der wiederum in der Landwirtschaft Verwendung findet. Dieser Dünger ist reich an Nähr- und humusbildenden Stoffen und kann flüssig oder trocken auf die Felder ausgebracht werden. Auch im Landschafts- und Gartenbau sowie im eigenen Garten werden diese Düngemittel eingesetzt.
Was sind die Streitpunkte?
Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, Gewinne über 18 ct/kWh abzuschöpfen. Das heißt, dass es eine Deckelung für Biogasanlagen geben sollte. Biomethananlagen und Anlagen mit höheren Produktionskosten sowie Anlagen unter 1 MW sollten jedoch nicht dieser Beschränkung unterliegen. Für Vorortverstromungsanlagen müssen deshalb individuelle Lösungen gefunden werden.
Der Gewinn einer Biogasanlage setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen: Dazu gehören der Verkauf von Strom an der Börse durch Direktvermarkter sowie Einnahmen aus der Bereitstellung von Regelenergie.
Mit dem neuen Netzengpassmanagement, Redispatch 2.0, der Bundesnetzagentur werden bestimmte Anlagen vorübergehend zurückgefahren, um Stromengpässe zu vermeiden. Das bedeutet, dass bisher auch Biogasanlagen bei der aktuellen Versorgungslage gedrosselt werden. Das überschüssige Gas muss dann verbrannt werden muss.
Hinzu kommen weitere Stolpersteine, etwa langwierige Genehmigungsverfahren oder andere rechtliche Hürden, etwa beim EEG. So könnten Güllekleinanlagen aus Gülle und Mist mehr Biogas produzieren, durften aber nicht, da die Produktion bislang gesetzlich gedeckelt. Daran ändert auch das Energiesicherheitsgesetz nichts.
Nix Neues aus Berlin?
Robert Habeck will die vorgegebene jährliche Maximalproduktion für Biogasanlagen aussetzen. Das ist der Stand von Juli 2022. Im Oktober hat der Bundestag nun Änderungen des Energiesicherheitsgesetzes (EnSiG) beschlossen. Dazu gehören Vorschriften zur Reduzierung des Gasverbrauchs.
Im Rahmen der Novelle sind für die Biogasbranche die Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und des Baugesetzbuches (BauGB) entscheidend: Die maximale Bemessungsleistung, die bisher die produzierte Strommenge jeder Biogasanlage separat begrenzte, ist außer Kraft gesetzt. Sowie die Kapazitätsgrenze der jährlichen 2,3 Millionen Kubikmeter Biogas für Biogasanlagen mit vorrangigem Bauplanungsrecht.
Außerdem lässt sich der Güllebonus flexibler gestalten. Das heißt, wenn der Anteil von Gülle und Mist in der Ration unter 30 % sinkt, geht der Bonus bei einer vorübergehenden Produktionsausweitung nicht verloren.
Neu ist auch, dass Biogasanlagen ihre Produktion (technisches Potenzial) kurzfristig um durchschnittlich 20 % oder insgesamt 7 TWh Strom steigern können. Dies entspricht fast 4 % der russischen Gasimporte vor der russischen Invasion in der Ukraine.
Der Fachverband Biogas zeigte sich erleichtert über die Entscheidung des EU-Energieministers, zur Abschöpfung von „Übergewinnen“. Danach können die Mitgliedsstaaten Technologien, deren Erzeugungskosten 180 Euro/MWh überschreiten, individuelle Kappungsgrenzen bestimmen. Dies sei für den wirtschaftlichen Betrieb der Biogasanlage zwingend erforderlich.
Wenige Biogas- und Biomethananlagen für dieses Jahr beantragt
Eine aktuelle Ausschreibung der Bundesnetzagentur für Biogas- und auch Biomethananlagen lag unter dem Schnitt. Das ist oftmals darauf zurückzuführen, dass keine langfristige Planung möglich ist aufgrund der wenigen Perspektiven am Markt. Wenn die Anlagen jetzt investierten, wäre es unklar, wie es nach 2024 weitergehen soll.
Die wichtigsten Entwicklungen im Biogassegment 2021 auf einen Blick
- In Bayern stehen die meisten Anlagen im bundesweiten Vergleich: nämlich 2.641. In Niedersachsen 1.735 und in NRW 1.136.
- Niedersachsen produziert mit 1.451 MW am meisten Leistung, gefolgt von Bayern mit 1.362 MW.
- Am meisten neuen Güllekleinanlagen wurden 2021 in Bayern gebaut: 56 Anlagen.
- 2021 gab es 238 Biomethananlagen. Die Prognose für 2022 lautet: 244.
- 2021 wurden 1,2 Mio. ha Energiepflanzen für Biogasanlagen angepflanzt. Davon 940.000 ha Mais und 201.700 ha Getreide. Die restlichen Hektare ergeben sich durch Körnergereide und anderes. Hinzu kommen noch 107.000 ha aus Grassilage.
- Prognose der Umsätze für 2022: ein Anstieg von 9,9 Mrd. Euro (2021) auf 11,1 Mrd. Euro.
- Da weniger Anlagen gebaut werden, geht man davon aus, dass die Zahl der Arbeitsplätze von 50.000 (2021) auf 49.000 im Jahr 2022 sinkt.
Welche Rolle Biogas zukünftig spielen wird, ist nur schwer vorhersagbar. Eine Chance sieht der Fachverband in der Produktion von Biomethan aus Rest- und Abfallstoffen, also in erster Linie aus Gülle und Mist.