+++ UPDATE 22.09.2024 +++
Zukunft des Pflanzenschutzes: Cem Özdemir verfolgt pragmatische Ansätze
Bundesagrarminister Cem Özdemir bleibt entschlossen, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 % zu reduzieren. Doch anstatt strikte Verbote und eine Pflanzenschutzsteuer einzuführen, verfolgt er mit dem neuen „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ einen pragmatischeren Ansatz. Der überarbeitete Plan, der nun vorgestellt wurde, setzt auf Zusammenarbeit und Innovation, anstelle der zunächst vorgesehenen bürokratischen Maßnahmen und Verbotspolitik.
Özdemirs ursprünglicher Entwurf für das Programm wurde von Landwirten und Fachverbänden stark kritisiert. Er galt als zu bürokratisch und einseitig auf Verbote fokussiert. Die überarbeitete Version des Programms, die nun präsentiert wurde, geht diesen Bedenken entgegen und zeigt sich deutlich versöhnlicher. Ein markanter Unterschied ist das Fehlen spezifischer Regelungen zur weiteren Reduzierung des Glyphosateinsatzes. Der Wirkstoff wird im neuen Programm nicht mehr erwähnt, da Özdemir keinen zusätzlichen Regelungsbedarf sieht. Stattdessen liegt der Fokus auf der Reduktion des Gesamteinsatzes von Pflanzenschutzmitteln.
Im neuen Programm wird die Gesamtreduktion der Einsatzmengen betrachtet, wobei auch Agrarumweltmaßnahmen und der Ökolandbau in die Bilanzierung einfließen sollen. Das BMEL wird künftig berücksichtigen, wie leicht bestimmte Pflanzenschutzmittel durch alternative Verfahren ersetzt werden können. Zudem wird vorerst auf die Einführung einer Pflanzenschutzsteuer verzichtet. Özdemir hält die Einführung einer solchen Abgabe in der aktuellen Legislaturperiode für unrealistisch, schließt sie jedoch für die Zukunft nicht aus.
Das BMEL setzt im „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ auf Kooperation, Förderung, Beratung und Innovation. Diese Ausrichtung orientiert sich an den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft, die darauf abzielt, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf Umwelt, Artenvielfalt und Gesundheit zu minimieren und resiliente Agrarökosysteme zu schaffen.
Das Programm umfasst eine Reihe von Maßnahmen. Dazu gehört die Stärkung des integrierten Pflanzenschutzes durch die Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie die Modernisierung der Grundsätze guter fachlicher Praxis. Die Anbaudiversifizierung und die Unterstützung der Züchtung resistenter Sorten werden gefördert. Das Ziel ist es, den Anteil des Ökolandbaus bis 2030 auf 30 % zu steigern. Außerdem soll die Verbreitung agrarökologischer Ansätze gefördert und die Praxisverfügbarkeit biologischer Pflanzenschutzverfahren verbessert werden.
Im Bereich des Naturschutzes wird ein kooperativer Ansatz verfolgt, der Rückzugsflächen für Tiere und Pflanzen in der Agrarlandschaft schaffen soll. Hierfür sollen neue Modelle innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik entwickelt werden. Darüber hinaus wird die Forschung und Innovation gefördert, um Prognosemodelle und Entscheidungshilfen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Modellregionen und -betriebe sollen ausgebaut und die unabhängige Beratung sowie das Bildungsangebot weiterentwickelt werden.
Trotz dieser Anpassungen bleibt die Reaktion der Branche gemischt. Der Bauernverband sieht das Programm nach wie vor als ein Reduktionsprogramm, während der Industrieverband Agrar sich schnellere Zulassungen für Pflanzenschutzmittel gewünscht hätte. Bioland ist von den abgeschwächten Maßnahmen enttäuscht. Özdemir verweist jedoch auf erfolgreiche Modelle wie den Niedersächsischen Weg und das Biodiversitätsstärkungsgesetz in Baden-Württemberg, die zeigen, wie eine enge Einbindung aller Interessengruppen zum Erfolg führen kann. Er betont, dass chemischer Pflanzenschutz in bestimmten Situationen weiterhin notwendig bleiben wird, um stabile Erträge zu gewährleisten, insbesondere wenn andere Mittel versagen.
+++ Update Ende +++
Trotz fehlender Mehrheit in Mitgliedstaaten
Die EU-Kommission hat entschieden, die Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat in der Landwirtschaft um zehn Jahre zu verlängern, und zwar bis Ende 2033. Diese Entscheidung folgt auf eine Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten, bei der keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Verlängerung erzielt wurde. Weder im Ständigen Ausschuss der EU-Kommission für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCOPAFF) noch im Berufungsausschuss konnten die Mitgliedstaaten eine klare Position finden.
Die EU-Kommission betonte, dass sie nun aufgrund dieser Situation „verpflichtet“ sei, eine Entscheidung zu treffen. Die Verlängerung basiert auf umfassenden Sicherheitsbewertungen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten durchgeführt wurden. Trotz der Verlängerung plant die Kommission, die Anwendung von Glyphosat weiter einzuschränken, insbesondere in Bezug auf die Vorerntebehandlung von Getreide und „neue Maßnahmen zum Schutz von Nichtzielorganismen“.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir äußerte Bedauern über die Entscheidung und betonte, dass eine kürzere und restriktivere Verlängerung angemessener gewesen wäre. Deutschland enthielt sich in der Abstimmung, und Özdemir kündigte an, den nationalen Handlungsspielraum zu prüfen, um den im Koalitionsvertrag festgelegten Glyphosat-Ausstieg umzusetzen.
Die Entscheidung der EU-Kommission stützt sich auf wissenschaftliche Gutachten von EFSA und ECHA.
Die Verlängerung der Zulassung steht jedoch im Widerspruch zum im Koalitionsvertrag festgelegten Glyphosat-Ausstieg bis Anfang 2024.
Die nationale Umsetzung und Aufrechterhaltung des Anwendungsverbots in Deutschland werden nun Gegenstand weiterer Prüfungen und Diskussionen innerhalb der Ampel-Koalition.
Wann darf man Glyphosat überhaupt noch verwenden?
Die Fünfte Verordnung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung vom 8. September 2021 hat die Möglichkeiten des Einsatzes von glyphosathaltigen Herbiziden deutlich eingeschränkt.
Diese Verordnung beinhaltet unter anderem folgende Bestimmungen:
- Verbot der Anwendung in Gebieten mit Bedeutung für den Naturschutz ( 4): z.B. Naturschutzgebiete, Nationalparks, §–30–Biotope …
- Verbot der Anwendung in festgesetzten Wasserschutzgebieten (Ausnahme ggf. „Zone IIIC“) und Heilquellenschutzgebieten
- Verbot der Spätanwendung vor der Ernte (Sikkation)
- Anwendung im Ackerbau generell nur noch im Einzelfall, wenn andere Maßnahmen nicht geeignet oder zumutbar sind
- Vorsaatbehandlung bei Mulch– und Direktsaat bleibt erlaubt, jedoch nicht in WSG, HSG oder NSG
- Vorsaat– oder Stoppelbehandlung, außerhalb von Mulch– und Direktsaatverfahren, ist nur noch gestattet bei Problemunkräutern (Teilflächen) und auf Flächen der Erosionsgefährdungsklassen CC Wasser1 und 2 und CC Wind
- Die Anwendung zur Grünlanderneuerung ist nur noch zulässig, wenn Wirtschaftlichkeit oder Tiergesundheit gefährdet sind oder die Fläche als erosionsgefährdet CC Wasser1 und 2 und CC Wind eingestuft ist.
Außerhalb der oben genannten Gebiete ist eine Anwendung nur noch nach Einzelfallentscheidung des Betriebsleiters gestattet.
Eine behördliche Genehmigung ist nicht erforderlich.
Aber zur Dokumentation und damit zur Begründung der Notwendigkeit des Glyphosateinsatzes knipsen und archivieren Sie Fotos und andere wichtige Aufzeichnungen.
Einfach war gestern!
Was tun, wenn man auf sich gestellt ist, um Unkraut zu vernichten? So wie es aussieht ist Glyphosat ab 2024 auf unseren Feldern verboten. Lässt sich Glyphosat überhaupt ersetzen? Wir stellen verschiedene Strategien vor.
Einfach mal eben das Unkraut wegspritzen und Sikkation = Vergangenheit?
Glyphosat scheint auf vielen Ackerflächen unersetzlich. Bei einer älteren Umfrage gaben 85 % der Landwirte in Deutschland an Glyphosat auf 40 % ihrer Flächen zu verwenden.
Glyphosat wird eingesetzt, um Unkraut und Gräser in der Landwirtschaft zu reduzieren. Besonders vor Sommerungen und nach Raps, um Ausfallraps zu reduzieren. Bei Direkt- oder Mulchsaat ist Glyphosat essenziell.
Bei seinem Einsatz steigen die Ernteerträge um 20 bis 30 Prozent, da die Pflanzen mehr Nährstoffe, Wasser, Licht und Platz zur Verfügung haben.
Außerdem spart der Einsatz von Glyphosat Arbeitszeit, Kraftstoff und Arbeitskraft ein.
Warum ist Glyphosat so umstritten?
Das Mittel vernichte Grünpflanzen, die eine wichtige Nahrungsgrundlage für Honigbienen und andere Blüten bestäubende Insekten seien, und beeinträchtige die Gesundheit von Bienenvölkern.
Rückstände von Glyphosat als Totalherbizid wurden in Lebensmitteln wie Säften und Bier, aber auch in Getreide festgestellt.
Wie lange ist Glyphosat nachweisbar?
Die Halbwertszeiten (Zeit, in der die Hälfte der Substanz abgebaut ist) können für Glyphosat, je nach Temperatur und Bodenbedingungen, von 3 bis zu 240 Tagen. Höhere Temperaturen beschleunigen den Abbau.
Wo ist der Einsatz von Glyphosat bereits verboten?
Neben dem Verbot der Sikkation gibt es nun ein Anwendungsverbot in Wasser-, Natur- sowie Heilquellenschutzgebieten.
Nach wie vor ist der Einsatz des Totalherbizids zur Vorsaatbehandlung bei Direkt- und Mulschsaat erlaubt. Auch beim Auftreten von Problemunkräutern wie Quecke als Stoppelbehandlung.
Allerdings gilt: Wenn alle Maßnahmen der Anbau- und Produktionsverfahren der Landwirtschaft, die sowohl ökologischen als auch ökonomischen Erfordernissen entsprechen gescheitert sind, dann darf Glyphosat zum Einsatz kommen.
Wann aber wird Glyphosat endgültig verboten? Wie oben beschrieben ist sein Einsatz bereits deutlich eingeschränkt und soll bis Ende 2023 vollständig verboten werden.
Welche Länder haben Glyphosat verboten?
Bisher ist der Einsatz von Glyphosat in keinem Land der Welt verboten. Vietnam hat dies unlängst zwar beschlossen, dort dürfen aber noch Restbestände verbraucht werden.
Was sind die Alternativen zu Glyphosat?
Neue Wege sind gefragt. Momentan gibt es keinen Ersatz für Glyphosat, auch im Bereich von selektiven Herbiziden nicht.
Mechanische Unkrautbekämpfung
Landwirte stellen auf mechanische Unkrautbekämpfung um und gleichzeitig entwickeln die Unternehmen eine Vielzahl neuer Instrumente für ein integriertes Unkrautmanagement.
Integrierter Pflanzenschutz ist nicht so einfach wie der Einsatz chemischer Pestizide.
Für größere Bekämpfungserfolge sind Geräte einzusetzen, die den Boden flach bearbeiten. Hierzu zählen besonders der Flachgrubber mit Gänsefußscharen. Auch Schwergrubber mit Gänsefußscharen scheinen effektiv.
Ein mehrmaliger Einsatz im Abstand von drei Wochen nach dem ersten Auflaufen der Pflanzen ist hier von Vorteil.
Unmittelbar nach der Ernte ist ein Striegeln oder Mulchen erfolgsversprechend, um das Keimen anzuregen. Danach sollten noch zwei bis drei flache Arbeitsgänge erfolgen, bevor das Wintergetreide gesät und tiefere Grubberarbeiten sinnvoll sind.
Der Nachteil der mechanischen Lösung ist allerdings der Anstieg des Kraftstoffverbrauchs.
Unkrautbekämpfung mit Strom
Strom, welcher durch Pflanzen und Boden fließt, kann Pflanzenzellen schädigen. Dadurch werden sie ausgetrocknet.
In Frankreich wird die Bekämpfung von Beikräutern mit Strom seit 2018 untersucht. Und zwar bei Fahrgeschwindigkeiten von 2 km/h, 4 km/h und 7 km/h im Vergleich mit Glyphosat.
Die Ergebnisse waren abhängig von Pflanzenarten, verfügbarer Biomasse, Bestandsdichte und Feuchtigkeit. Bei sehr trockener Witterung ist Vorsicht geboten, da immer Brandgefahr besteht.
Während Glyphosat im Herbst nur 45 % des Unkrauts vernichtete, schaffte das elektrische Verfahren fast 100 % bei allen Geschwindigkeiten und war deutlich effektiver.
Unkraut in Erbsen tötete Glyphosat zu nur 85 Prozent, während das elektrische Verfahren mehr als 90 Prozent vernichtete.
Anders verhält es sich bei Ausfallweizen. Während Glyphosat zuverlässig den ganzen Ausfallweizen entfernte, war das elektronische Gerät bestenfalls nur zu 20 Prozent effizient. Bei Dauergrünland, Klee und Rotklee hatte der Strom im Frühjahr wenig Wirkung.
Im Herbst schnitt diese Methode jedoch besser ab und tötete mehr als 80 Prozent der Pflanzen, zumindest bei Klee und reinem Rotklee.
Die Tests haben auch gezeigt, dass niedrigere Geschwindigkeiten deutlich effektiver sind. Der optimale Wirkungsgrad wird bei einer Geschwindigkeit von 2 km/h erreicht. Dies liegt daran, dass die Pflanze über einen längeren Zeitraum der elektrischen Ladung ausgesetzt ist.
Die Forscher kombinierten auch elektrische Verfahren mit Schlegel und Walzen. Die zusätzlichen Walzen führten zu keiner Effizienzsteigerung. Der Schlegel erhöhte allerdings die Wirksamkeit.
Fazit aus der Anwendung mit Strom
- Unkraut ist leichter zu vernichten als Ungräser
- Je mehr Biomasse, desto weniger effektiv ist die Behandlung und
- Je dichter der Stent, desto schlechter der Behandlungseffekt
- Bei trockenem Boden ist die Behandlung effektiver als bei nassem Boden
- Feuchtigkeit im Grün, durch Tau, wirkt unterstützend
Nachteilig bei diesem Verfahren ist die geringe Arbeitsgeschwindigkeit, die durch die geringe Fahrgeschwindigkeit und die Arbeitsbreite von 3 m bedingt ist. Außerdem ist die Technologie mit bis zu 250 €/ha viel teurer als Glyphosat oder Bodenbearbeitung.
Die Auswertung zeigte keine negativen Auswirkungen der Spannung auf Regenwürmer und mikrobielle Biomasse.
Anbau von Zwischenfrüchten
Die Verpflichtung des Anbaus von Zwischenfrüchten vor Sommerungen im Rahmen der neuen GAP wirft Probleme bei der Unkrautvernichtung ohne Glyphosat auf. Ziel ist es, das Auflaufen der Zwischenfrucht zu optimieren und Unkräuter und Ausfallgetreide zu minimieren.
Normalerweise werden Zwischenfrüchte nach einer Stoppelbehandlung gesät. Ungräser und Beikräuter werden so zum Auflaufen gebracht und das Stroh wird untergemischt. Zusätzlich kann man bei großen Strohmengen zweimal grubbern.
Nach der Ernte empfiehlt sich der Einsatz von Kurzscheibenegge oder Striegel. Je nach Bodenart sollte der letzte Arbeitsgang möglichst tief erfolgen und kurz vor der Einsaat.
Bei Mulch– oder Direktsaat kann die Fruchtfolge mit Sommerungen aufgelockert werden. Ansonsten hilft nur der Pflug. Allerdings birgt er die Gefahr einer Strohmatte. Arbeit und Energiekosten steigen.
Auf jeden Fall sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um an der Mulchsaat festzuhalten.