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Das hat Cem Özdemir vor: Das BMEL im freien Fall?

Eine Person in einem rot-karierten Hemd fällt rückwärts durch die Luft vor einem grauen, wolkenverhangenen Himmel.

Klimakrise, Ukrainekrieg und hohe Energiekosten gilt es entgegenzuwirken. Viele Entscheidungen zur Lebensmittelversorgung müssen laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, kurz BMEL, in Einklang gebracht werden mit der Klimakrise und der Ressourcenverschwendung.

Viele Themen werden momentan diskutiert und entschieden, die uns Landwirte betreffen, wie beispielsweise die EU-Krisenreserve, Eiweißstrategie, Tierhaltung, Freigabe von Brachflächen.

Alle Augen sind dabei auf den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, gerichtet. Täglich erreichen uns neue Nachrichten aus dem BMEL – das sorgt für ausreichend Verwirrung und Fragezeichen. Wir möchten Ihnen einen Überblick über die einzelnen Themen und Richtungen geben. Wohin führt der Weg? Alles wird einfacher, oder doch nicht?

Krisenreserve in Höhe von 180 Mio. – aber wofür?

Die EU-Kommission hat letzte Woche 500 Mio. Euro als Krisenreserve zur Unterstützung der Landwirtschaft freigegeben. Davon gehen 60 Mio. Euro an Deutschland. Das BMEL möchte diese Reserve auf 180 Mio. Euro aufstocken. Wofür das Geld sein wird, bleibt bisher offen. Die EU-Mitgliedstaaten können die Krisenreserve um 200 Prozent aufstocken.

Bis zum 30. Juni 2022 müssen sich alle Mitgliedstaaten entschieden und mitgeteilt haben, was mit den Geldern genau geplant sei und was mit dieser Hilfe beabsichtigt wird. Allerdings hat die EU bereits verfügt, dass hauptsächlich Landwirte unterstützt werden sollen, die nachhaltig wirtschaften.

Der Haken an der Sache ist aber, dass zumindest die Mittel aus der EU-Krisenreserve mit Mitteln aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU und Direktzahlungen aus der ersten Säule verrechnet werden können.

BMEL

Haushaltsentwurf

Im aktuellen Haushaltsentwurf 2022 hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit 7,1 Milliarden Euro rund 571 Millionen Euro weniger veranschlagt als im Jahr 2021. Grund ist die Einstellung der Corona-Hilfen. Vor Covid-19 im Jahr 2019 verfügte das BMEL über einen Haushalt von rund 6,3 Milliarden Euro.

In seiner Haushaltsrede vor dem Bundestag erwähnte Özdemir zusätzliche Mittel, die für 2022 für die Transformation der Viehwirtschaft vorgesehen sind. Zwischen 2023 und 2026 stehen 1 Milliarde Euro für eine Stallbaufinanzierung zur Verfügung. Allerdings betonte der Minister, dass ein bundesweiter Umbau „weitere Schritte“ erfordere.

Umbau der Tierhaltung

Die Bundesregierung möchte mit 1 Mrd. Euro den klimafreundlichen und tiergerechten Umbau der Tierhaltung anschieben. Im nächsten Schritt wollen wir den Umbau in der Nutztierhaltung auch bei den Betriebskosten honorieren. Bis zum Jahresende soll es laut BMEL ein solidarisches Abgabemodell auf Fleischprodukte geben.

Kernbestandteil ist die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung. Zur Deckung weiterer Kosten wird das BMEL zudem bis Ende des Jahres geeignete Finanzierungsmechanismen vorschlagen.

Die Koalition ist sich dennoch einig, dass alle Marktteilnehmer den Umbau der Nutztierhaltung finanzieren müssen.

Modernisierung des Bau- und Immissionsschutzrechts

Momentan sieht es so aus, dass vielerorts investitionswillige Landwirte keine Lizenz für tierwohlfreundliche Ställe erhalten haben.

Das BMEL setze sich aktuell mit Bau- und Immissionsschutzgesetzen auseinander. Man wolle das Baurecht nicht ändern bevor die Finanzierungsfragen und die Kennzeichnung der Tierhaltung geklärt seien.

Die Umstellung soll ein Komplettpaket sein, um nur so Tierhalter plansicher machen zu können.

Herkunftskennzeichnung

Dieses Jahr sollen alle Fragen zur Haltungskennzeichnung geklärt und verankert werden. Gekennzeichnete Produkte sollen nächstes Jahr im Handel erhältlich sein.

Dazu arbeite man eng mit Österreich an einer Initiative für eine EU-Herkunftskennzeichnung, der sich weitere Länder anschließen. Ebenso schaue man nach Frankreich, die so ein Gesetz bereits auf den Weg gebracht haben.

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Unfallversicherung

Bereits vor dem Ukrainekrieg wurde eine Absenkung der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, kurz LUV geplant. Das BMEL möchte diese Zuschüsse von 177 Mio. Euro auf 100 Mio. € kürzen.

Eiweißstrategie

Das BMEL hat seinen Haushalt mit der Aufstockung der Eiweißpflanzenstrategie auf 5,6 Millionen Euro im Jahr 2022 um einen weiteren Schwerpunkt erweitert.

Dadurch möchte man sicherstellen, dass das Angebot an regional produzierten Futtermitteln erweitert wird. Ebenso soll damit die Unabhängigkeit Deutschlands in der Versorgung mit gentechnikfreien Eiweißfuttermitteln ausgebaut werden.

Die Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine verdeutlichen, wie wichtig es ist, mehr Autonomie bei der Versorgung mit Tierfutter zu erreichen.

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Freigabe Brachflächen

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) erlaubt deutschen Landwirten ab 2022 nur noch den Futteranbau auf ökologisch vorzuziehenden Flächen ohne Pflanzenschutz und begrenzter Düngung. Damit setzt es die Option der Europäischen Kommission, die die Nutzung ökologischer Vorrangflächen (ÖVF) für Sommerkulturen im Jahr 2022 zuzulassen, nur teilweise um.

Das BMEL hat die entsprechenden Verordnungsentwürfe fertig gestellt und der Bundesregierung zur Genehmigung vorgelegt. Demnach sollen die als ÖVF ausgewiesenen Brachflächen nicht ab dem 1. August, sondern ab dem 1. Juli zum Beweiden freigegeben werden. Dabei sollen nicht nur Schafe und Ziegen grasen, sondern alle Tierarten.

Zudem soll eine Schnittnutzung für Futterzwecke zulässig sein. Das betrifft laut BMEL rund 170.000 ha. In diesem Jahr sollen auch Beweidung und Schnittnutzung für alle Tierarten in Vorranggebieten mit Fangkulturen oder Begrünung erlaubt werden.

Auf Vorrangflächen mit Zwischenfruchtanbau oder Gründecke soll in diesem Jahr ebenfalls eine Beweidung durch alle Tierarten sowie eine Schnittnutzung erlaubt werden. Hier legt das BMEL eine Fläche von 1,06 Mio. ha, auf denen 2021 Zwischenfrüchte auf ökologischen Vorrangflächen standen, als Orientierung zu Grunde.

Der Anbau von Eiweißpflanzen auf ökologischen Vorrangflächen ist unter den geltenden rechtlichen Bedingungen ohne Anwendung von Pflanzenschutzmitteln weiterhin möglich, betont das BMEL.

Biodiversität und die Versorgungssituation sollen somit gleichermaßen einbezogen werden.

Cem Özdemir bekräftigt, dass er ein Aussetzen der Agrarreform, des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie als falsch betrachtet.

30% Ökolandbau bis 2030

Ebenso soll an den 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 festgehalten werden. 25 Prozent bis 2030 auf EU-Ebene und verschärfte 30 Prozent bei uns in Deutschland.

Das BMEL erhofft sich dadurch, dass die konventionell wirtschaftenden 70 Prozent nachziehen, um nachhaltiger zu arbeiten. In dem Zusammenhang spricht man auch von Honorierung.

Eine Hand schreibt mit einem Stift auf Papier neben einem aufgeklappten Laptop auf einem Tisch. Die Person trägt ein blaues Hemd und sitzt in einem Büro.

Knappheit Tierfutter für die ökologische Tierhaltung

Ganze Warenströme und Lieferketten kommen teilweise zum Erliegen. Die Ukraine und Russland exportieren gentechnikfreie Futtermittel nach Deutschland. Momentan stehen aber ausreichend Raps- und Sojaschrot zur Verfügung.

Die „Ohne Gentechnik“-Branche ist eng verflochten und bereitet sich auf mögliche zukünftige Engpässe vor.

Der Anteil des aus der Ukraine und Russland importierten gentechnikfreien Sojaschrots beträgt circa 9 Prozent am gesamten Sojaschrot für Tierfutter in Deutschland. Trotz des Krieges trafen weiterhin Sojaschrot-Lieferungen aus der Ukraine ein.

Das Donau-Soja-Büro in Kiew erwartet, dass die ukrainische Sojaproduktion im Jahr 2022 70 Prozent des Vorjahres erreichen wird. Außerdem wird die Fracht aus europäischen Häfen und die aktuelle Ernte aus Brasilien planmäßig eintreffen.

Etwa 10 Prozent der Rapssaat stammen aus der Ukraine. Der Ernte 2021 wurde bereits vollständig exportiert. Marktexperten zufolge könnten geringere ukrainische Rapsexporte im Jahr 2022 durch andere Regionen ausgeglichen werden.

Der ökologische Landbau ist in der Ukraine besonders vom Futtermittelverlust betroffen. Mit Inkrafttreten der neuen Bio-Verordnung soll der zulässige Anteil konventioneller Eiweißfuttermittel ab diesem Jahr sogar noch weiter reduziert werden. Nur noch bei Bio-Ferkeln und -Junggeflügel sollte ein Anteil von bis zu 5 % konventioneller Futtermittel erlaubt sein

Verbandsbetriebe sind davon weit weniger betroffen als Betriebe, die auf kurzfristige Bio-Futtermittelzukäufe setzen. Die meisten Biobetriebe bauen den Großteil ihres Futters selbst an oder beziehen es von Kollegen aus der Umgebung.

Als Reaktion auf die bestehende Eiweißfutterknappheit wird gefordert, dass Biobetriebe einen bestimmten Anteil an konventionellem Eiweißfutter einsetzen dürfen, solange Futterknappheit herrscht.

Pflanzenschutz

Das BMEL hält weiterhin daran fest, dass Pflanzenschutzmittel auf das Mindestmaß verringert werden. Man stehe weiterhin zu der Farm-to-Fork-Strategie mit dem Reduktionsziel von 50 Prozent bis 2030. Die Rechtsakte dazu käme im März 2022.

Wir haben im Koalitionsvertrag erklärt, dass wir den Einsatz von Pestiziden auf das notwendige Maß reduzieren wollen.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission, die Produktion auf ökologischen Vorrangflächen sowie die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zuzulassen, sei im Hinblick auf die Ziele der Biodiversität eher kritisch zu sehen.

Der Ansatz der EU-Kommission, die Anwendungsdaten nur alle fünf Jahre zu übermitteln, wurde im Dezember vom BMEL abgelehnt. Man spreche sich für jährliche Zahlen aus.

Damit hat die Bundesregierung den Weg für mehr Transparenz bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln eingeschlagen. Zudem werde man mit den einzelnen Bundesländern prüfen, inwieweit die Schaffung eines einheitlichen Systems zur Erfassung von Anwendungsdaten im Pflanzenschutz sinnvoll und möglich ist.

Getreidefeld

Nitrat- und Düngeverordnung

Das BMEL plant außerdem die roten Gebiete um mehr als 30 Prozent auszuweiten. Wie die aktuellen Düngerpreise zustande kommen, haben wir auf unserem Blog beschrieben.

Erneuerbare Energien

Damit sich die Landwirtschaft von fossilen Energien unabhängiger wird, stehen 2022 Förderungen in Höhe von 48 Millionen Euro bereit. Außerdem soll das Verfahren vereinfacht werden, um attraktiver und bekannter zu werden.

Zudem soll für Verbraucherinnen und Verbraucher die Kostensteigerung bei Lebensmitteln gedämpft werden, für die Energiepreise ein relevanter Faktor sind.

Gefördert werden technologieoffene Maßnahmen zur Energieeinsparung und Erzeugung erneuerbarer Energie zur Verwendung in der landwirtschaftlichen Produktion. Bei mobilen Maschinen werden Investitionen in alternative Antriebe gefördert (Elektro, Biomethan, Pflanzenöle).

Wie geht es weiter?

Am 8. April trifft sich die Agrarministerkonferenz (AMK) von Bund und Ländern und wird über die Verordnung entscheiden. Dort ist zu erwarten, dass die Vorrangflächen und die Stilllegung ab 2023 aus der Agrarreform zu den Hauptthemen gehören werden.

Einige Länder wie Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben bereits angekündigt, sich mit den nun gewährten Ausnahmen für die ökologischen Vorrangflächen nicht zufrieden geben zu wollen.

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